[& Radieschen interviewt:] HANNAH OPPOLZER

& RADIES­CHEN-FRA­GE­BO­GEN INTER­VIEW
dies­mal mit: Han­nah Oppol­zer


“Ich schrei­be ger­ne über Figu­ren, die sich sehr gut in ihrer Welt aus­ken­nen und tief in ihrer Lebens­rea­li­tät ver­wur­zelt sind – nur um dann abrupt raus­ge­ris­sen zu wer­den und ihr Leben zu hin­ter­fra­gen begin­nen. 

2023 erschien ihr Debüt­ro­man “Ver­passt” im Brau­mül­ler Ver­lag, zuletzt wur­de die Autorin mit dem Kul­tur­preis des Rota­ry-Clubs Baden 2024 und dem Lit­Lab-Sti­pen­di­um 2024 vom Lite­ra­ri­schen Zen­trum Göt­tin­gen aus­ge­zeich­net.
Am Sonn­tag, 29.9.2024 liest Han­nah Oppol­zer bei der Prä­sen­ta­ti­on unse­rer neu­en Aus­ga­be im Café Anno!

Foto: Han­nah Oppol­zer
© Foto­ate­lier Schörg

Wel­che Text­gat­tung bevor­zugst du?
Am liebs­ten schrei­be ich Pro­sa, bevor­zugt Roma­ne. Ich bin schlecht dar­in, mich kurz­zu­fas­sen und kon­stru­ie­re ger­ne Plots für lan­ge Tex­te. Mei­ne gro­ße Lei­den­schaft gilt dem Schrei­ben von Dys­to­pien. Die ers­ten Fas­sun­gen sind bei mir meist sehr, sehr lang und müs­sen im Über­ar­bei­tungs­pro­zess gründ­lich gekürzt und ver­dich­tet wer­den.

Was hat dich zum Schrei­ben bewegt?
Da ich schon immer geschrie­ben habe, ist die Fra­ge schwer zu beant­wor­ten. Ich weiß nicht mehr, war­um ich ange­fan­gen habe, wahr­schein­lich aus Spaß und Neu­gier­de. Schrei­ben ist für mich mein ganz inti­mer Spiel­platz, auf dem ich mich aus­to­ben und mei­ner Fan­ta­sie frei­en Lauf las­sen kann. Nichts erfüllt mich sosehr, wie eine Idee in Wor­te zu ver­wan­deln und einen guten Plot oder aus­sa­ge­kräf­ti­ge Sät­ze zu kon­stru­ie­ren. 

Gibt es The­men, die dich als Autorin beson­ders inter­es­sie­ren?
Ich schrei­be ger­ne über Figu­ren, die sich sehr gut in ihrer Welt aus­ken­nen und tief in ihrer Lebens­rea­li­tät ver­wur­zelt sind – nur um dann abrupt raus­ge­ris­sen zu wer­den und ihr Leben zu hin­ter­fra­gen begin­nen. Trü­ge­ri­sche Sicher­hei­ten und auf den Prüf­stand gestell­te Über­zeu­gun­gen. Und über Figu­ren, die mit der Lebens­pha­se hadern, in der sie sich gera­de befin­den und die sich von gesell­schaft­li­chen Nor­men ein­ge­engt füh­len.  

Gibt es etwas, das dich beim Schrei­ben beson­ders inspi­riert? Woher kom­men dei­ne Ideen?
Oft inspi­rie­ren mich Song­tex­te und Melo­dien oder der Schreib­stil eines Romans, der mich beein­druckt. Am meis­ten Inspi­ra­ti­on schöp­fe ich in der Natur, auf lan­gen ein­sa­men Wald­spa­zier­gän­ge mit mei­nem Hund. Die Ideen bre­chen meist sehr spon­tan und uner­war­tet aus mir her­aus. Oft sind es The­men, die schon län­ger unter der Ober­flä­che in mir gebro­delt haben, ohne, dass ich mir des­sen so rich­tig bewusst war.  

Wo schreibst du am liebs­ten?
Am (auf­ge­räum­ten!) Schreib­tisch, in einem ruhi­gen Café, in mei­nem Gar­ten unter der Bir­ke und im Zug – da ist alles in Bewe­gung, was mei­nem Schrei­ben gut­tut. Und die vie­len Ver­spä­tun­gen der Bahn ver­län­gern die Schreib­zeit, wenn ich schon im Zug sit­ze!

Zu wel­cher Tages­zeit schreibst du am liebs­ten?
Am bes­ten schrei­be ich, wenn ich am sel­ben Tag kei­ne ande­re Arbeit mehr habe. Daher ger­ne an frei­en Tagen gleich nach dem Auf­ste­hen bis in den Nach­mit­tag hin­ein. Oft aber erst am Nach­mit­tag oder Abend, wenn ande­re Pro­jek­te, Jobs oder Uni für den Tag abge­schlos­sen sind. Wenn mein Kopf vol­ler uner­le­dig­ter Din­ge ist, kann ich nicht krea­tiv wer­den. Dafür muss ich los­las­sen kön­nen. Wich­tig ist auch eine gewis­se Struk­tur in mei­nem All­tag, auch wenn sich Text natür­lich nicht auf Knopf­druck schrei­ben las­sen. 

Was tust du, um eine Schreib­blo­cka­de zu lösen?
Meis­tens hilft es, dar­über nach­zu­den­ken, war­um die Schreib­blo­cka­de ent­stan­den ist. Nur wenn ich weiß, wo das Pro­blem sei­ne Wur­zeln hat, kann ich es auch lösen. Schreib­blo­cka­den haben bei mir immer einen Grund – ob beim Plot irgend­et­was nicht passt, mich die Figu­ren­kon­stel­la­ti­on vor Her­aus­for­de­run­gen stellt oder ich die Figu­ren noch nicht gut genug ken­ne. Es hilft auch, gute Roma­ne zu lesen, die mich inspi­rie­ren und sich dabei die Fra­ge zu stel­len, wie die Autor*innen gear­bei­tet haben, um die­se und jene Wir­kung beim Lesen zu erzeu­gen. 

Was liest du gera­de?
„Die Wut, die bleibt“ von Marei­ke Fall­wickl, schon zum zwei­ten Mal in die­sem Jahr. Die­ses Buch ent­hält alles, was für mich einen guten Roman aus­macht: Inter­es­san­te The­men, Detail­ge­nau­ig­keit, Figu­ren mit gro­ßem Hand­lungs­po­ten­zi­al, Sozi­al­kri­tik und eine unfass­ba­re Sprach­ge­walt. Ich könn­te mir jeden zwei­ten Satz anstrei­chen!

Wel­ches Buch soll­te dei­ner Mei­nung nach jede:r lesen?
Ich fin­de nicht, dass es ein Buch gibt, dass alle lesen soll­ten – dazu sind die Men­schen und ihre Inter­es­sen viel zu unter­schied­lich! Ein Buch, dass ich aller­dings allen emp­feh­len kann, ist „Stum­mes Echo“ von Sus­an Hill, ein sehr kom­pak­ter, detail­ge­treu kom­po­nier­ter Roman, der beim Lesen ganz viel in mir aus­löst. Sehr ans Herz legen möch­te ich allen Men­schen, die ger­ne lesen, „Frau­enlite­ra­tur“ von Nico­le Sei­fert. Dar­in geht sie der Fra­ge nach war­um auf unse­ren Lese­lis­ten so weni­ge Autorin­nen ste­hen und was wir dage­gen tun kön­nen. 

Was schätzt du beson­ders an &Radieschen?
Die vie­len neu­en Stim­men, die sich dadurch ent­de­cken las­sen, und die viel­fäl­ti­gen Per­spek­ti­ven auf die Welt. 

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mehr über die Autorin:

Han­nah Oppol­zer
Han­nah Oppol­zer, gebo­ren 1999, hat Ger­ma­nis­tik in Wien stu­diert und stu­diert aktu­ell den Mas­ter Lite­ra­ri­sches Schrei­ben und Lek­to­rie­ren an der Uni­ver­si­tät Hil­des­heim. 2023 erschien ihr Debüt­ro­man Ver­passt beim Brau­mül­ler Ver­lag. Für ihre Tex­te wur­de sie bereits mehr­fach aus­ge­zeich­net, zuletzt mit dem Kul­tur­preis des Rota­ry-Clubs Baden 2024 und dem Lit­Lab-Sti­pen­di­um 2024 vom Lite­ra­ri­schen Zen­trum Göt­tin­gen. Im Novem­ber wird ihr der Aner­ken­nungs­preis für Lite­ra­tur ihrer Hei­mat­stadt Baden ver­lie­hen.  
> zur Web­site der Autorin

Einen Text von Han­nah Oppol­zer fin­det man in unse­rer neu­en Aus­ga­be mit dem Titel “Glit­zer & Schnit­zer”.

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