
Christine Hubka, Lukas Vogl:
Mein Papa ist kein Mörder
Grafic Novel für Kinder ab 12
Tyrolia, 2024
120 Seiten | € 18,50
ISBN 978–3‑7022–4198‑8
Rezension: mpk
Ein Busfahrer, der zum Mörder wird, weil er während der Fahrt aufs Handy schaut.
Der Busfahrer ist Papa. Ein Papa, der ins Gefängnis muss.
In dem Grafic Novel “Mein Papa ist kein Mörder” geht es nicht nur um die Schuldfrage. Es geht auch und vor allem ums Weiterleben nach dem Urteilsspruch. Wie geht es der Familie während der Papa im Gefängnis ist? Wie geht es ihr danach?
Christine Hubka, lange als Gefängnisseelsorgerin in Wien tätig, gewährt tiefen Einblick in den Alltag einer betroffenen Familie. Da geht es nicht nur um die Anfeindungen, welche die Kinder im Schulalltag erleben. Es geht auch um die prekäre finanzielle Situation, in der sich die Familie plötzlich befindet, weil Papas Gehalt wegfällt.
Aber auch von gut gemeinten Ratschlägen erzählen die Bilder, von den Zusammenkünften im Gefängnis, von der angespannten Situation, von Wut und Schuldzuweisungen. Und von strukturellen Problemen.
Unsereins stellt sich vor: Wenn du den Papa im Gefängnis besuchen willst, geht das eh ganz einfach zu den Besuchszeiten. Niemand denkt an stundenlange Wartezeiten. Niemand denkt daran, dass es selbst für Kinder gar nicht so möglich ist, dem Papa Geschenke mitzubringen.

Was mich besonders berührt hat: Der “Mörder” in der Geschichte hat einfach im falschen Moment aufs Handy geschaut. Seiner kleinen Tochter zuliebe. Die hatte nämlich vergessen, Bescheid zu geben, dass der Unterricht an diesem Tag früher endet.
Wie umgehen mit der Schuld? Diese Frage muss sich nicht nur Papa stellen – auch seine kleine Tochter fühlt sich schuldig und redet lange nicht darüber.
Wie wichtig es wäre, einfach nur zuzuhören, statt gut gemeinte Ratschläge zu geben, wie wichtig vor allem auch psychologische Betreuung ist – auch das sind Themen des Grafic Novel.
Um die Geschichte besser einordnen zu können, werden immer wieder Fakten eingestreut. Denn das, was im Buch erzählt wird, ist für betroffene Familien Realität.
Die Comics von Lukas Vogl beschönigen nicht, sondern fangen die Gefühle auf eindrucksvolle Weise ein.

“Mein Papa ist kein Mörder” berührt. Vor allem aber zeigt das Buch, wie wenig wir über jene wissen, die ins Gefängnis müssen, und auch jene, die draußen bleiben. Es schockiert, wie harsch mit Besucher*innen (selbst Kindern) umgegangen wird. Noch mehr schockiert es, wie schwer sich das finanzielle Überleben der Familie gestaltet. Plötzlich steht die Mutter allein da. Es ist ja nicht nur so, dass Papas Gehalt plötzlich wegfällt, meist kommen auch noch hohe Summen an Entschädigungszahlungen hinzu.
Dazu kommen die Scham, die gesellschaftliche Ausgrenzung …
Vielleicht sollte man sich dieses Buch gerade im Advent, gerade zu Weihnachten ins Haus holen. Oder auch in die Schulklasse.
Der Papa ist im Gefängnis? – Statt zu urteilen, sollten wir lieber hinschauen, wie es jenen geht, die betroffen sind. Zuhören statt ausgrenzen – das wäre schon ein großer erster Schritt.

Margarita ist seit 2009 bei &Radieschen. Sie ist für den Satz der Zeitschrift sowie den reibungslosen Ablauf von Einsendeschuss bis Druck verantwortlich – und für diesen Blog. Bei &Radieschen hat sie ihre Leidenschaft fürs Zeitschriftenmachen entdeckt, weswegen sie seit 2021 auch die Dialektzeitschrift “Morgenschtean” gestaltet. Wenn sie nicht gerade vor dem Bildschirm sitzt, dann liest sie meist. Oder sie schreibt (> margaritakinstner.at).
