Elisabeth Klar: Es gibt uns
Roman,
Residenz Verlag, 2023
ISBN: 978–3‑7017–1769‑9
S. 192 | € 25,00
Rezension: Katrin Oberhofer
In »Es gibt uns« von Elisabeth Klar finden wir uns in der Stadt Anemos wieder, in einer Zeit nach der menschlichen Vorherrschaft. Die Bewohner*innen der Stadt haben fluide, veränderbare Körper. Es handelt sich um tierisch-menschliche Mischwesen, die ob der vergifteten und zerstörten Umwelt mit einem kurzen Leben rechnen. Auf den ersten Blick scheint es sich um ein klar dys- topisches Setting zu handeln. Strukturgebendes Element des gemein- samen Lebens in Anemos ist die Inszenierung von Theateraufführungen, inklusive Chor und Zeremonienmei- sterin. Einstieg in die Handlung ist das Walpurgisfest, bei dem die Geschichte von Oberon, einer non-binären Leuchtqualle mit dem Pronomen xier, und dem Müxerl, einem Schleimwesen, auf die Büh- ne gebracht wird. Oberons Aufgabe ist es, die Wasserversorgung der Stadt mithilfe des leuchtenden Mikrobioms sauber zu halten. Doch Oberon und das Müxerl verstricken sich im Wasserreservoir in ein Liebesspiel, bei dem Oberon versehentlich erstickt. Das Mikrobiom und damit die Möglichkeit der Reinhaltung des Wassers gehen auf das Müxerl über.
Die Grundregeln der Stadt werden in der Aufführung dramatisch verhandelt: An oberster Stelle steht Konsens, zu jeder Interaktion kann Ja oder Nein gesagt werden. Das Müxerl kann also frei entscheiden, ob es sich künftig in den Dienst der Stadt stellt. Doch auch die Verantwortung füreinander hat einen hohen Stellenwert und kann nicht außer Acht gelassen werden. Denn allein kann in dieser Welt kein Wesen überleben.
Wie sich das Müxerl entscheiden wird, ist die große Frage in dieser ekstatischen Walpurgisnacht.
Anhand der Achtsamkeit, mit der alle Möglichkeiten abgewägt wer- den, drängt sich dann doch der Gedanke auf, dass es sich bei Anemos um eine Utopie handelt – zumindest auf der Ebene des Zusammenlebens seiner Bewohner*innen und deren Umgang miteinander. Gleichzeitig ist ein stimmiges Erzählen von nicht-binären Wesen gelungen, das unbedingt lesenswert ist.
Katrin Oberhofer, rezensiert seit 2023 für &Radieschen.
Aufgewachsen in Maria Saal, lebt mit ihren liebsten Menschen in Wien. Studium der Sozial- und Kulturanthropologie und Philosophie, Ausbildung zur Schreibtrainerin am writers’ studio.
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