[& Radieschen interviewt:] MARGARITA PUNTIGAM-KINSTNER

& RADIES­CHEN-FRA­GE­BO­GEN INTER­VIEW
dies­mal mit & Radies­chen-Redak­ti­ons­mit­glied MAR­GA­RI­TA PUN­TI­GAM-KINST­NER


"Ich bin jedes Mal unheimlich stolz, wenn wenn Autor*innen, die bei uns begonnen haben, beim Bachmannwettbewerb lesen, in einem guten Verlag unterkommen oder gar auf der Longlist des Deutschen Buchpreises landen. "

Mar­ga­ri­ta Pun­ti­gam-Kinst­ner ist seit 2009 bei &Radieschen, seit 2010 ist sie u.a. für das Lay­out ver­ant­wort­lich. Bis 2013 hat sie außer­dem den Anno Lite­ra­tur Sonn­tag mit­or­ga­ni­siert und mode­riert.

Foto: © Isol­de K. Ber­mann

Wann hast du zu schrei­ben begon­nen – und war­um machst du es heu­te noch?
Zu “dich­ten” begon­nen habe ich, bevor ich schrei­ben konn­te. Mei­ne ers­tes “Album” ent­stand 1982, es hieß “Lie­der für Hasi”; das besun­ge­ne Stoff­tier exis­tiert heu­te noch, die Kas­set­te lei­der nicht mehr. Ich muss zuge­ben: Ganz so unbe­schwert wie damals bin ich lei­der nie wie­der an ein Werk her­an­ge­gan­gen, aber ich habe auch nie auf­ge­ge­ben (auch wenn es immer wie­der mal län­ge­re Schaf­fens­pau­sen gab).

Gibt es etwas, das dich beim Schrei­ben beson­ders inspi­riert? Woher kom­men dei­ne Ideen?
An Ideen man­gelt es mir nie, die lie­gen ja qua­si auf der Stra­ße. Die Fra­ge ist viel­mehr: Wie setzt man die Idee um? Aus jedem Stoff kannst du min­des­tens 100 ver­schie­de­ne Roma­ne machen, aber nur einer kann von dir geschrie­ben wer­den – und der muss ja dann auch noch die ande­ren über­zeu­gen.

Du bist Teil des &Radieschen-Redaktionsteams. Wann und wie bist du zu &Radieschen gekom­men – und wie­so bist du geblie­ben?
2008 erschien ein ers­ter klei­ner Aus­zug mei­nes (damals gera­de mal 20 Sei­ten mage­ren) Roman­ma­nu­skripts im DUM. Nach der Prä­sen­ta­ti­on im Café Anno wur­de ich von Andre­as Plam­mer gefragt, ob ich mir eine Ein­zel­le­sung aus mei­nem Manu­skript vor­stel­len könn­te. Die­ser Lesungs­ter­min hat mir Mut (und auch genü­gend Druck) gemacht, dran­zu­blei­ben. Das Anno wur­de mir dann auch schnell zur Hei­mat und Andre­as Plam­mer mein schärfs­ter Kri­ti­ker, aber auch För­de­rer.
Die Mit­ar­beit bei den Lesun­gen und bei der Zeit­schrift hat mir die Mög­lich­keit gege­ben, mich regel­mä­ßig mit ande­ren Schrei­ben­den aus­zu­tau­schen und die unter­schied­lichs­ten Text­sor­ten ken­nen­zu­ler­nen. Außer­dem fin­de ich es unheim­lich schön, wenn wir neue Talen­te ent­de­cken. Ich weiß ja aus eige­ner Erfah­rung, wie wich­tig es ist, dass jemand sagt: Schreib wei­ter, das, was du machst, ist gut! – und ich bin jedes Mal unheim­lich stolz, wenn Autor*innen, die bei uns begon­nen haben, beim Bach­mann­wett­be­werb lesen, in einem guten Ver­lag unter­kom­men oder gar auf der Long­list des Deut­schen Buch­prei­ses lan­den.

Was muss ein Text für dich kön­nen, um dein Herz zu erobern?
Im &Radieschen freue ich mich immer, wenn Autor*innen etwas wagen und ein Risi­ko ein­ge­hen; sprich: mit Spra­che exper­mi­nen­tie­ren, um einen eige­nen Stil zu fin­den. Lite­ra­tur­zeit­schrif­ten wie die unse­re sind ja zum Üben, zum Aus­pro­bie­ren da. Wich­tig ist mir aber, dass ein sprach­li­ches Expe­ri­ment für den Text auch Sinn macht und nicht bloß um Auf­merk­sam­keit heischt. Spra­che und Inhalt sol­len zusam­men­pas­sen, aber auch über­ra­schen.

Wo liest du die Ein­sen­dun­gen am liebs­ten?
Ich selbst bewer­te nicht mehr mit, da ich die­je­ni­ge bin, die die ein­ge­sand­ten Tex­te für die Jury auf­be­rei­tet. Wenn ich die aus­ge­wähl­ten Tex­te gesetzt habe, lade ich mir aber immer ein ers­tes PDF auf mein Tablet und lege mich damit ins Bett. Das ist ein ganz beson­de­rer Moment, auf den ich mich jedes Mal freue.

Hast du Tipps für unse­re Autor*innen gegen die gefürch­te­te Schreib­blo­cka­de?
Ich per­sön­lich glau­be nicht an “Schreib­blo­cka­den”, aber ich ken­ne fol­gen­de Sze­na­ri­en nur zu gut:
* Ich hal­se mir aller­lei Arbei­ten auf (z.B. bei &Radieschen), weil ich Angst habe, am Schreib­tisch zu ver­sa­gen. (Dann hilft nur eines: hin­set­zen und schrei­ben, mehr als dass Mist raus­kommt, kann nicht pas­sie­ren.)
* Ich kom­me aus dem Über­ar­bei­ten nicht raus, sezie­re den Text in sei­ne Ein­zel­tei­le, bis er so zer­fled­dert ist, dass er nix mehr taugt. (Tipp: den Text aus der Hand legen, durch­schnau­fen, evtl. Feed­back holen.)
* Ich ste­cke fest und weiß nicht, wie es in der nächs­ten Sze­ne wei­ter­ge­hen soll. (Dann passt mein Kon­zept nicht, meist krankt es schon viel wei­ter vor­ne.)
* Ich kip­pe in eine Sinn­kri­se und fra­ge mich, ob ich über­haupt gut genug bin. Schrei­ben ande­re nicht viel bes­ser als ich? Wer war­tet schon auf mei­nen Text?? (Bei ca. 70.000 neu­en Buch­ti­teln pro Jahr allein im deutsch­spra­chi­gen Raum sind die­se Gedan­ken wahr­schein­lich nor­mal – alles ande­re wäre ja Grö­ßen­wahn. Man kann hier ent­we­der auf­ge­ben … oder trotz­dem wei­ter­schrei­ben und ver­su­chen, das Bes­te zu geben.)

Du hast frü­her die Lesun­gen im Café Anno mit­or­ga­ni­siert und mode­riert.  Wor­auf soll­te mensch bei der ers­ten öffent­li­chen Lesung ach­ten – bzw. hast du Tipps gegen Lam­pen­fie­ber?
Jeder Mensch ist anders. Man­che sind nach 200 Lesun­gen noch immer so ner­vös, dass sie Beru­hi­gung­trop­fen brau­chen, ande­re ver­spü­ren schon bei der 2. Lesung nur noch ein leich­tes Krib­beln. Was aber immer von Vor­teil ist: eine gute Vor­be­rei­tung. Mein Tipp: Die Lesung vor­ab auf­neh­men und her­aus­fin­den, wo die Län­gen sind, wo man Wör­ter ver­nu­schelt, wo man leben­di­ger lesen könn­te. Außer­dem hat es Vor­tei­le, wenn man weiß, wie man die Stim­me vol­ler klin­gen lässt und ein paar Stimm­bild­übun­gen kennt. Auch soll­te man sich nach Mög­lich­keit die Loca­ti­on vor­ab anse­hen. Der bes­te Text nützt bei nichts, wenn er zu mono­ton, zu schnell oder auch zu lei­se oder gar undeut­lich gele­sen wird.
Was außer­dem wich­tig ist: mit dem Publki­um zu kom­mu­ni­zie­ren, sprich, vom Text auf­zu­schau­en, bei län­ge­ren Lesun­gen dazwi­schen auch mal ein paar per­sön­li­che Wor­te zu spre­chen. Das alles kann man üben; ich habe vor mei­ner ers­ten Lesung einen Work­shop besucht und sehr davon pro­fi­tiert.

Wel­ches Buch hat dich zuletzt beson­ders begeis­tert?
Abso­lut hin­ge­ris­sen war ich 2022 von Ste­fan Kut­zen­ber­gers “Kilo­me­ter Null”, der­zeit amü­siert mich Franz­obels “Ein­steins Hirn”.
Außer­dem hat mich die­ses Früh­jahr Anna Her­zig mit ihrem Roman “12 Grad unter Null” ganz beson­ders gepackt.

Was liest du am liebs­ten, wenn du ein­fach mal nur ent­span­nen möch­test? 
Ich mag Roma­ne, in die ich einer­seits abtau­chen kann, von denen ich aber ein gro­ßes Stück Welt mit­neh­men kann, wenn ich wie­der auf­tau­che. Letzt­end­lich hilft Lite­ra­tur ja dabei, das eige­ne Umfeld, sich selbst, ande­re Mei­nun­gen und Lebens­wei­sen oder auch ande­re Kul­tur­krei­se bes­ser zu ver­ste­hen. Wenn Lesen zusätz­lich ent­spannt, ist das eigentl­lich der Ide­al­zu­stand.

Mar­ga­ri­ta Pun­ti­gam Kinst­ner (als Autorin Mar­ga­ri­ta Kinst­ner)
lebt und arbei­tet in Graz. Bis­her sind drei Roma­ne von ihr erschie­nen sowie eine CD mit Lyrik und Lie­dern für Kin­der. Neben ihrer Mit­ar­beit bei &Radieschen ist sie auch für die inhalt­li­che und opti­sche Gestal­tung der Dia­lekt-Lite­ra­tur­zei­schrift “Mor­gen­schte­an” zustän­dig, außer­dem rezen­siert sie Neu­erschei­nun­gen in der Lite­ra­tur­sen­dung des Gra­zer Autorin­nen und Autoren Kol­lek­tivs auf Radio Hel­sin­ki.
Mehr Infor­ma­tio­nen unter: margarita-kinstner.com


Margarita (mpk) im &Radieschen

Seit Sep­tem­ber 2009 gab es die Kolum­ne “Text­ge­flüs­ter”, die sich Mar­ga­ri­ta ab 2015 zuerst mit Kathe­ri­na Bra­schel und dann mit Arme­la Madrei­ter geteilt hat. Das letz­te “Text­ge­lüs­ter” erschien im März 2023.

Lesung der ers­ten Text­ge­flüs­ter-Kolum­ne (2009): “Früh­stück mit Leo­nie”
aus: &Radieschen #12 (“Rollen&Bilder)

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