[REZENSION:] “Der Hausmann” von Wlada Kolosowa

Wla­da Kolo­so­wa: Der Haus­mann
Roman mit Gra­phic Novel, illus­triert von Raoúl Soria
Ley­kam 2022 
ISBN: 978–3‑7011–8253‑4
S. 320 | € 24,50

Rezen­si­on: Mar­ga­ri­ta Pun­ti­gam-Kinst­ner

Ein jun­ges Paar zieht in eine neue Woh­nung, weil die alte zu teu­er wur­de. Er, Tim, arbei­tet gera­de an sei­ner Gra­phic Novel (The­ma: Kli­ma­wan­del; hoch oben im Nor­den taut der Per­ma­f­rost­bo­den). Tims Freun­din Thea hat gera­de bei einem Start-up begon­nen, sich um die Social-media-Kam­pa­gnen für vega­nes Hun­de­fut­ter zu küm­mern. In dem Haus woh­nen außer­dem Maxim, ein jun­ger Mann aus der Ost­ukrai­ne, sowie die Pen­sio­nis­tin und Neo-Blog­ge­rin Dag­mar.

Kolo­so­wa fängt den Sound unse­rer Zeit ein – was ihr unter ande­rem dadurch gelingt, dass sie ihren Roman eben nicht nur brav »run­ter­er­zählt«. Als Leser*innen ler­nen wir Thea näm­lich aus­schließ­lich über den fir­men­in­ter­nen Chat ken­nen. Von Dag­mar wie­der­um erfah­ren wir haupt­säch­lich durch ihren Blog, in dem sie übers Unsicht­bar­sein schreibt und erklärt, wie man als Mindestrentner*in gra­tis an Klo­pa­pier kommt, oder auch an Son­nen­bril­len. Maxim wie­der­um hat ein Übungs­heft. In die­sem hält er sei­ne Erleb­nis­se in Deutsch­land und sei­ne Erin­ne­run­gen an die Hei­mat fest, an den Wan­del und den Krieg, die sei­ne Jugend geprägt haben. Aber es gibt auch gute Erin­ne­run­gen. Sei­ne Ein­trä­ge ver­knüpft er stets mit einer Lek­ti­on – so küm­mert er sich in sei­nen Tex­ten ein­mal um die Arti­kel, dann wie­der ist es die Mög­lich­keits­form. Was Maxim gar nicht mag: wenn man ihm Fremd­wör­ter erklärt. Denn nur, weil er die deut­schen Verb­fle­xio­nen nicht beherrscht, heißt das ja noch lan­ge nicht, dass er ein unge­bil­de­ter Trot­tel ist. – Und Tim? Der wei­gert sich strikt, Sozi­al­hil­fe­emp­fän­ger zu wer­den. Schließ­lich ist er Künst­ler und nicht arbeits­los.  Wäh­rend­des­sen kippt Thea ob der vie­len Über­stun­den immer mehr ins Burn­out. Und dann steht auf ein­mal ein Typ vor der Tür und schlägt Tim ins Gesicht. Aber mehr ver­ra­te ich hier nicht. Nur soviel: Es ist alles ganz anders, als man glaubt 🙂

Kolo­so­wa greift The­men auf, die aktu­el­ler nicht sein könn­ten. Dass sie es zusätz­lich ver­steht, mit den Text­gat­tun­gen gran­di­os zu spie­len und alles per­fekt inein­an­der zu col­la­gie­ren (sogar Tims Gra­phic Novel gibt es zwi­schen den Sei­ten zu lesen), macht ihren neu­en Roman zu einem wun­der­bar sprit­zi­gen, span­nen­den und zeit­ge­mä­ßen Lese­ver­gnü­gen – geeig­net  nicht nur für jun­ge Leser*innen, son­dern für alle von 16 bis 96, die gern über den Tel­ler­rand der eige­nen Welt bli­cken.

Die­se Rezen­si­on erscheint auch in & Radieschen#64/ Dez.2022

Mar­ga­ri­ta ist seit 2009 bei &Radieschen. Sie ist für den Satz der Zeit­schrift sowie den rei­bungs­lo­sen Ablauf von Ein­sen­de­schuss bis Druck ver­ant­wort­lich – und für die­sen Blog. Bei &Radieschen hat sie ihre Lei­den­schaft fürs Zeit­schrif­ten­ma­chen ent­deckt, wes­we­gen sie seit 2021 auch die Dia­lekt­zeit­schrift “Mor­gen­schte­an” gestal­tet. Wenn sie nicht gera­de vor dem Bild­schirm sitzt, dann liest sie meist. Oder sie schreibt (> margaritakinstner.at). Oder sie bloggt auf literaturgalaxien.at.

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