& RADIESCHEN-FRAGEBOGEN INTERVIEW
diesmal mit: Sophie Vizthum
Ich wage zu behaupten, dass jede meiner Geschichten ein Fragment meiner Gefühlswelt enthält.
Sophie Vizthum wurde 1994 in Wien geboren. Ihre Kurzgeschichte “Einmal im Sommer fühlen wir uns groß” erschien gerade in unserer aktuellen Ausgabe mit dem Titel “Schall & Rauch”.
Für unseren Blog hat die Autorin 10 Fragen beantwortet – wir danken herzlich!
Foto: Sophie Vizthum
© privat
Welche Textgattung bevorzugst du?
Ganz klar die Epik. Berufsbedingt sind die Kurzgeschichten momentan meine einzige Möglichkeit, mich literarisch auszuprobieren. Mir gefällt irgendwie der Gedanke, mehrere zusammenhängende Kurzgeschichten zu schreiben, in denen die Leser:innen immer wieder auf dieselben Charaktere treffen. Im echten Leben erfahren wir schließlich auch oft erst im Nachhinein, was Bekannte in letzter Zeit so angestellt haben. Needless to say: ich probiere mich gerade an einer. Ausgang noch offen.
Was hat dich zum Schreiben bewegt?
Die Zeiten an sich. Ich schreibe, um zu verarbeiten, was ich erlebt oder gesehen habe. Man könnte fast sagen, dass ich das Schreiben brauche. Ich wage zu behaupten, dass jede meiner Geschichten ein Fragment meiner Gefühlswelt enthält. Deshalb habe ich auch jedes Mal einen kleinen Nervenzusammenbruch, wenn es darum geht, dass jemand Fremdes meine Texte liest. Ich bin immer sehr aufgeregt, ob die Leser:innen mich selbst zwischen den Wörtern wiedererkennen.
Gibt es Themen, die dich als Autorin besonders interessieren?
Der Übergang von der Jugend zum Erwachsenwerden. Immer wenn ich denke, gerade drüber hinweg zu sein, erinnere ich mich, dass ich mal was ganz anderes studieren wollte und schon verfalle ich ins Tagträumen. Dieser Übergang ist fließend. Er ist für jeden unterschiedlich und so, so persönlich. Wenn man daran denkt, wie viele prägende Momente unseres Lebens in diese Zeit fallen, wie sie uns formt und zu dem Mensch macht, der wir sind, dann fehlen mir oft die Worte, sie zu beschreiben. Aber ich probiere es, gerade, weil ich fasziniert bin.
Gibt es etwas, das dich beim Schreiben besonders inspiriert? Woher kommen deine Ideen?
Das ist eine schwere Frage für mich. Meistens sehe oder erlebe ich etwas, das mich berührt. Ich schreibe es für später in meine Notizen-App und schlafe eine Nacht drüber. Manchmal entwickle ich eine Idee beim Musikhören – bestimme Textzeilen inspirieren mich immer wieder aufs Neue, Zum Beispiel bekomme ich bei „they say the greatest coward – can hurt the most ferociously“ aus der 1987er Live-Version von „Miracle of Love“ der Eurythmics seit gut zehn Jahren immer noch Gänsehaut.
Wo schreibst du am liebsten?
Immer dort, wo ein Laptop zu finden ist. Daheim am liebsten am Esstisch im Wohnzimmer, zwischen den obligatorischen Topfpflanzen und dem überlaufenden Bücherregal. Mit Blick hinaus auf die Straße. Ich bin gerne mittendrin und dann doch wieder nicht.
Zu welcher Tageszeit schreibst du am liebsten?
Blöderweise vormittags, das lässt sich aber nur schwer mit meiner Arbeit vereinen. Ich weiche dann auf siebzehn, achtzehn Uhr aus oder erfinde eine Ausrede. Prinzipiell versuche ich einfach jede freie Zeit zu nutzen, auch, wenn es nur fünf Minuten sind.
Was tust du, um eine Schreibblockade zu lösen?
Mein junges Ich wäre gleich zu dieser Frage gesprungen und wäre sehr enttäuscht darüber, dass ich keine andere Antwort bieten kann als: hinsetzen, nicht nachdenken und schreiben.
Was liest du gerade?
Die Jahre von Annie Ernaux.
Welches Buch sollte deiner Meinung nach jede:r lesen?
Das Geisterhaus von Isabel Allende.
Was schätzt du besonders am & Radieschen?
Ich liebe es von anderen zu lesen, die auch fürs Schreiben brennen und sich teilweise zum ersten Mal aufs literarische Parkett trauen. Ich weiß, wie viel Arbeit, aber auch Mut hinter jeder einzelnen Einreichung steckt, gerade, wenn es die erste Veröffentlichung ist. Das Radieschen hat hier einen Raum geschaffen, in dem ich mich von Anfang an geschätzt gefühlt habe. Dafür bin ich dankbar.
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mehr über die Autorin:
Sophie Vizthum wurde 1994 in Wien geboren, wo sie bis heute lebt. Während sie sich hauptberuflich mit Paragraphen und Gesetzen beschäftigt, verbringt sie ihre Freizeit am liebsten mit Lesen und Schreiben. Im Jahr 2022 veröffentlichte sie ihre beiden Prosatexte „Im Möbelhaus“ (litrobona) und „Seit zwei Minuten offline“ (mosaik).
Sophie Vizthums Kurzgeschichte ” Einmal im Sommer fühlen wir uns groß” findet man in & Radieschen #64 – Schall & Rauch