Luca Kieser:
Weil da war etwas im Wasser
Picus, 2023
320 S. | € 26,00
ISBN: 978–3‑7117–2137‑2
Rezension: Katrin Oberhofer
„Weil da war etwas im Wasser“ hat mich schon auf den ersten Blick angesprochen, finde ich ja Tiefseekreaturen prinzipiell interessant.
Der Inhalt nimmt dann auch gleich Fahrt auf: Zuerst begegnet man der Tiefsee-Kalmarin Architheutis dux, deren zehn Tentakel als Sinnbilder für die einzelnen Erzählstränge fungieren. In Marginalien wird angeführt, welcher ihrer Arme gerade am Wort ist – da gibt es einen hehren, süßen, eingebildeten, bisschen schüchternen und so fort. Die Kalmarin geht einem Krillfangkutter ins Netz und wird von dort aus in einem Container weiter verschifft.
Auf dem Schiff begegnen wir der Praktikantin Sanja, die sich ein wenig fehl am Platze fühlt, ihrem Chef Chris und der in der Antarktis stationierten Agentin Dagmar, die sich um den weiteren Verbleib der Kalmarin kümmern soll – ist ihr Cover-up doch das einer Forscherin.
Klingt alles zunächst arbiträr, erweist sich aber als das Zusammentreffen von drei Sprösslingen eines Urahns sechs Generationen zurück, der – Überraschung – zur See fuhr und dort ein unheimliches Erlebnis hatte.
Diese Familienhistorie wird ebenso ausführlich erzählt wie eine pop-kulturelles Panorama von Autoren und Filmemachern ausgebreitet wird, die sich mit Meereslebewesen befasst haben. Besonders viel Raum erhält dabei die Geschichte des „Weißen Hais“.
Am Ende verschmilzt ein junger Autor, der mit den Folgen einer Operation seiner Vorhautverengung kämpft, mit dem Tiefseewesen und wird zum neuen Arm der Kalmarin.
Solcherart fragmentiertes Erzählen kann ja schief gehen, in dem Sinne, dass man sich als Leserin nicht zurecht findet und den roten Faden verliert. In diesem Fall aber fand ich es ein sehr anregendes mentals Puzzle, bei dem ich jede Menge gut Recherchiertes und plausibel Imaginiertes über diverse Tiefsee-Tiere und deren Kulturgeschichte gelernt habe.
Katrin Oberhofer, rezensiert seit 2023 für &Radieschen.
Aufgewachsen in Maria Saal, lebt mit ihren liebsten Menschen in Wien. Studium der Sozial- und Kulturanthropologie und Philosophie, Ausbildung zur Schreibtrainerin am writers’ studio.
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