Birgit Birnbacher:
WOVON WIR LEBEN
Jung & Jung, 2023
192 S. | € 25,50
ISBN: 978–3‑552–07335‑7
Rezension: Katrin Oberhofer
„Wovon wir leben“ von Birgit Birnbacher greift so viele drängende Fragen auf, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Julia, die in ihrem Beruf als Krankenpflegerin stets am Burnout dahinschrammt, macht einen fatalen Fehler, der eine Patientin fast das Leben kostet. Der Schock verschlimmert ihre chronische Atemwegserkrankung, sie wird gekündigt und sieht sich gezwungen, wieder ins Dorf zu ihren Eltern zu ziehen. Dort findet sie den Vater allein und leicht verwahrlost vor, die Mutter hat nach vielen Jahren endlich die Freiheit gesucht vom tristen Familienleben. Denn Julias Bruder ist aufgrund der Folgen einer Gehirnhautentzündung lebenslang beeinträchtigt. Er wird von der Pflegeeinrichtung, wo er lebt, nach Hause geschickt, weil es dort Probleme mit der Wasserversorgung gibt, und der Vater verletzt sich bei Holzarbeiten schwer. Selbst für die käglich blökende Ziege des Nachbarn soll Julia auf einmal zuständig sein, weil sie eine Frau ist, und Frauen sich kümmern. Am besten klaglos, bis zum umfallen. Sie schmiedet gemeinsam mit der Mutter einen Plan und engagiert zwei 24-Stunden-Pflegerinnen, die aber bald vor dem cholerischen Vater fliehen. Man müsste verstehen, dass sie ihr Grenzen haben. Wo aber sind die Grenzen der Frauen in der Familie? Und werden ihnen überhaupt welche zugestanden? Am Ende kehrt die Mutter wieder zurück, um zu übernehmen, und nichts an der Frage hat sich gelöst, was die Sorge- und Pflegearbeit in unserer Gesellschaft wert ist. Ein Buch, das mich wütend macht und ratlos, ein Thema das schmerzt. Bitte lest es ❤️!
Katrin Oberhofer, rezensiert seit 2023 für &Radieschen.
Aufgewachsen in Maria Saal, lebt mit ihren liebsten Menschen in Wien. Studium der Sozial- und Kulturanthropologie und Philosophie, Ausbildung zur Schreibtrainerin am writers’ studio.
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