[REZENSION:] Luftpolster von Lena-Marie Biertimpel

Lena-Marie Biert­im­pel
LUFT­POLS­TER

Ley­kam, 2022
ISBN 978–3‑7011–8232‑9
184 Sei­ten, €22,00
Rezen­si­on: Kathe­ri­na Bra­schel

»mei­ne träu­me kle­ben an mei­nen hän­den wie zucker­wat­te. alles ist schwer.«

In ihrem Debüt­ro­man gibt Lena-Marie Biert­im­pel Ein­blick in eine Rei­he von Ver­letz­lich­kei­ten. Nach dem Selbst­mord­ver­such ihrer Schwes­ter sucht die Prot­ago­nis­tin Rück­zug in der Psych­ia­trie. In Erin­ne­run­gen lau­fen ihre Kind­heit und Jugend noch ein­mal im Kopf ab. Die Brü­chig­keit im Auf­wach­sen, blei­ben­de inne­re und äuße­re Kon­flik­te wer­den stück­wei­se sicht­bar. Der ers­te Schritt die­se zu über­win­den wird schon am Beginn des Romans gemacht, als die Prot­ago­nis­tin ent­schei­det, sich Hil­fe zu suchen, was ihr nicht sofort leicht gemacht wird. So heißt es erst ein­mal vom Arzt: »sie sind so eine schö­ne frau, sie soll­ten auf­hö­ren trau­rig zu sein.«

Die ein­dring­li­che Spra­che bringt Situa­tio­nen und Gefüh­le schmerz­haft auf den Punkt. Die Struk­tur des Kli­nik­all­tags bringt auch lang­sam wie­der Struk­tur in das Leben der Prot­ago­nis­tin. Es ist ein zeit­ge­mä­ßer Roman, der sich wert­frei und kli­schee­los mit Selbst­ver­let­zung aus­ein­an­der­setzt. Gleich­zei­tig bie­tet er einen Wider­spruch gegen die vor­herr­schen­den gesell­schaft­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen und ein stän­di­ges Funk­tio­nie­ren-müs­sen. Lena-Marie Biert­im­pel schreibt sich hier mit star­ker Stim­me in eine The­ma­tik ein, die unwill­kür­lich auch an Syl­via Plath oder Chris­ti­ne Lavant erin­nert. Bei aller Schwe­re fin­den sich auch humor­vol­le Ele­men­te im Roman: absur­de Sze­nen in den The­ra­pie­stun­den, inti­me Momen­te bei Tele­fon­ge­sprä­chen. Ein Auf­at­men gibt es in Form von zar­te Freund­schaf­ten, die sich nach und nach zwi­schen den Bewohner:innen der Psych­ia­trie knüp­fen. In vie­len Details ste­cken zärt­li­che Beschrei­bun­gen der Gemein­schaft, ein scherz­haf­ter Ton für beson­ders tra­gi­sche Momen­te und ste­ti­ger gegen­sei­ti­ger Respekt. Und am Ende steht irgend­wann die libe­ra­ti­on.

Die­se Rezen­si­on erschien auch in unse­rer Print­aus­ga­be #62, Mai 2022

Kathe­ri­na Bra­schel ist seit 2015 bei &Radieschen. Sie ist für die Text­aus­wahl zustän­dig und organ­si­liert und mode­riert die Lesun­gen beim Anno Lite­ra­tur Sonn­tag. Auf­ge­wach­sen in Salz­burg, lebt und arbei­tet seit 2011 in Wien, wo sie Theater‑, Film- und Medi­en­wis­sen­schaft stu­dier­te. 2019 wur­de sie mit dem Rau­ri­ser För­de­rungs­preis, dem exil-lite­ra­tur­preis und dem Wort­mel­dun­gen För­der­preis aus­ge­zeich­net. 2020 erschien ihr Buch­de­büt es fehlt viel (edi­ti­on mosa­ik).

Foto: © Leon­hard Pill

Kommentar verfassen

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner